Vor einem Jahr habe ich das erste Mal von diesen Zacken und Zinnen gehört, welche wie Pfeile himmelwärts schiessen. Sofort ging ich auf mein Pinterestprofil und suchte nach Bildern zum Stichwort “Dolomiten”. Dabei stiess ich auf zauberhafte und vielseitige Landschaftsbilder.
Ist es wirklich so schön dort? Ich wollte es wissen, und fragte eine Freundin, ob sie auch Lust habe auf einige Tage Wanderurlaub im Südtirol. Also packten wir im August Rucksack und Wanderschuhe und fuhren los. Unser Ziel für die erste Übernachtung war die Schatzerhütte.
Dieser Ort auf der Plose, hoch über Brixen, schien der perfekte Ausgangsort für unsere erste Wanderung zu sein. Mit dieser Überlegung waren wir jedoch offensichtlich nicht alleine. Alle Betten waren besetzt. Ein 3 Gang Überraschungsmenü vom weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Gourmet Koch Franz Pernthaler, liessen wir uns dennoch nicht entgehen.
Während wir über das handgestickte Bild an der Wand diskutierten, schwärmten unsere Tischnachbarn bereits vom feinen Frühstück. Sie erzählten vom frisch gebackenen Brot aus dem Holzbackofen, der hausgemachten Konfitüre und beteuerten, dass es sich auf alle Fälle lohnen würde auch von extern hier zum Frühstück zu kommen. Leider passte dies zeitlich nicht in unser Programm.
Nach dem Essen genossen wir eine aussichtsreiche Wanderung auf den grossen Gabler (2574m), und bewunderten von da aus die Sicht auf den Peitlerkofel und die Aferner Geiseln.
«Während wir über das handgestickte Bild an der Wand diskutierten, schwärmten unsere Sitznachbarn bereits vom feinen Frühstück»
Einige Tage später planten wir die Rundwanderung vom Pragser Wildsee zur Seekoffelhütte und wieder zurück. Während wir, beeindruckt von der Schönheit der Natur, einen Moment beim smaragdgrünen See innehielten, setzten Dutzende Reisebusse Massen von Touristen ab.
Bald waren wir umzingelt von Unmengen von Leuten und fast ebenso vielen Hunden. Wir schätzten uns glücklich, als wir auf der 6-stündigen Wanderung der Touristenflut rund um den Wildsee entfliehen konnten.
Auf dem Weg hoch zum Gipfel, redeten wir über Gott und die Welt, über schöne und herausfordernde Situationen, über Träume und Visionen. Als die Steigung zu- und die Puste abnahm, liefen wir gedankenversunken Schritt um Schritt weiter. Poesievolle Stille. Elementare Langsamkeit. Ich konnte kaum fassen was ich sah.
«Wir schätzten uns glücklich, als wir auf der 6-stündigen Wanderung der Touristenflut rund um den Wildsee entfliehen konnten»
Die Schönheit der Natur fesselte mich. Alles um mich wirkte so mächtig und kraftvoll. Eine Ehrfurcht und Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber erfüllten mich. Ich konnte nicht anders, als mich in dieser Stille und absoluten Ruhe bei ihm zu bedanken.
Oben auf dem Gipfel eröffnete sich bereits wieder eine neue Sicht.
Ruck-zuck zogen wir unsere Sandwiches hervor und bissen herzhaft hinein. Doch was war das? Mein Handy. Mein Arbeitgeber. Vor einer wunderbaren Kulisse sprachen wir über künftige Arbeitsaufträge. Ein ungewöhnlicher Ort dafür. Einige Meter weiter war ein bedeutend natürlicherer Klang zu hören. Eine grosse Herde von Schafen war ebenfalls im Urlaub in den Bergen. Hätte ich sie nicht gehört, hätte ich sie inmitten der weissen Steine kaum wahrgenommen.
«Eine grosse Herde von Schafen war ebenfalls im Urlaub in den Bergen»
Auch unser Etappenziel, die Seekoffelhütte (2327 m), fügte sich fast unbemerkt ins Landschaftsbild ein.
An dieser Stelle lernte ich eine weitere Eigenart der Dolomiten kennen: Es gibt nicht nur die Zacken und Zinnen, sondern auch dicht übereinander gelegte Platten und aufgeschichtete Wände. Hinter einer solchen Wand versteckte sich unser Rückweg zum Pragser Wildsee. Schüchterne Regentropfen tanzten unregelmässig und leise auf mich herunter.
Der Duft in der Luft veränderte sich und wurde eine Note erdiger. Aufmerksam hörte ich dem Klang der Regentropfen zu, welche dicht an meinen Ohren auf der Kapuze aufprallten und wie auf einer Rutschbahn meine Regenjacke runter flossen. Zuhause, in der Stadt habe ich noch nie so aufmerksam dem Regen zugehört und mich von seinem Rhytmus leiten lassen. Bis jetzt noch nie.
Ein Beitrag von Corinne Schüpbach, Entdeckerin & Geniesserin.
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